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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 01.07.2022
- 1 BvR 75/20 -
Verfassungsbeschwerde einer Fernseh-Reporterin wegen Lohndiskriminierung erfolglos
Verfassungsbeschwerde genügt gesetzlichen Darlegungsanforderungen nicht
Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidungen der Arbeitsgerichte nicht zur Entscheidung angenommen, da sie den gesetzlichen Darlegungsanforderungen nicht genügt. Im Ausgangsverfahren verfolgte die beschwerdeführende Reporterin unter anderem das Ziel, so vergütet zu werden, wie ihre männlichen Kollegen mit gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit.
Die Beschwerdeführerin war als Reporterin bei einem investigativen Politmagazin des Zweiten Deutschen Fernsehens tätig. Sie erhob vor den Arbeitsgerichten auf der ersten Stufe Klage auf Auskunft über den Verdienst männlicher Kollegen mit vergleichbarer Tätigkeit und auf der zweiten Stufe auf die gleiche Vergütung. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Danach trat das Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern (Entgelttransparenzgesetz - EntgTranspG) in Kraft. Im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht stützte die Beschwerdeführerin ihren Auskunftsanspruch hilfsweise auch auf dieses Gesetz, blieb aber erfolglos. Die Beschwerdeführerin habe keinen ersten Anschein für eine Benachteiligung dargelegt. Dazu genüge es nicht, darzulegen und zu beweisen, dass ihr Arbeitgeber ihr ein niedrigeres Gehalt zahle als einem männlichen Kollegen und dass sie die gleiche oder eine gleichwertige Arbeit verrichte. Ein Auskunftsanspruch folge auch nicht aus dem neuen § 10 EntgTranspG, weil die Beschwerdeführerin als arbeitnehmerähnliche Person nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes falle. Nur zu dieser Rechtsfrage ließ es die Revision zu.
Teil-Erfolg vor dem BAG
Auf die Revision der Beschwerdeführerin verurteilte das Bundesarbeitsgericht das ZDF teilweise zur Erteilung der Auskunft. Es verwies den Rechtsstreit im Übrigen an das Landesarbeitsgericht zurück, weil das
Verfassungsbeschwerde genügt nicht den gesetzlichen Darlegungsanforderungen
Die
Fehlende Vorlage an EuGH lässt keine Grundgesetzverletzung erkennen
Die Rüge lässt keine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch die fehlende Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union erkennen, denn das Bundesarbeitsgericht hat keine Sachentscheidung getroffen. Es erschließt sich nicht, inwieweit die Vorlagepflicht gerade dadurch verletzt worden sein soll, dass die Revision als unzulässig verworfen wurde. Die Rügen einer Verletzung von Art. 3 Abs. 2 und 3 Satz 1 GG hat die Beschwerdeführerin nicht innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 BVerfGG hinreichend substantiiert. Zur Rüge einer Verletzung von Art. 23 Abs. 1 GRCh wird nicht hinreichend substantiiert aufgezeigt, dass die Voraussetzungen für eine Überprüfung der angegriffenen Entscheidungen anhand der Unionsgrundrechte vorlagen. Bei der Anwendung unionsrechtlich vollständig vereinheitlichter Regelungen sind grundsätzlich nicht die deutschen Grundrechte, sondern allein die Unionsgrundrechte maßgeblich. Die Anwendung innerstaatlichen Rechts prüft das Bundesverfassungsgericht dagegen primär am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, auch wenn es der Durchführung des Unionsrechts dient (vgl. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRCh). Dort, wo es den Mitgliedstaaten Gestaltungsspielräume einräumt, zielt Unionsrecht regelmäßig nicht auf eine Einheitlichkeit des Grundrechtsschutzes, sondern lässt Grundrechtsvielfalt zu. Daher greift dann die Vermutung, dass das Schutzniveau der Charta der Grundrechte der Europäischen Union durch die Anwendung der Grundrechte des Grundgesetzes mitgewährleistet ist. Eine Ausnahme von dieser Vermutung ist nur in Betracht zu ziehen, wenn hierfür konkrete und hinreichende Anhaltspunkte vorliegen. Solche Anhaltspunkte sind hier nicht erkennbar. Insofern wäre darzulegen, ob in der Auslegung der jeweiligen Grundrechte der Charta und des Grundgesetzes ein ungleiches Schutzniveau erreicht wird. Dabei wäre darauf einzugehen, inwieweit Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 GG, die einen wirksamen Schutz vor Benachteiligungen wegen des Geschlechts erforderlich machen, sich auch auf die Beweislast in Verfahren zur Lohngleichheit auswirken. Zu Art. 3 Abs. 2 und 3 GG wird mit Blick auf die Lohngleichheit aber erst über zwölf Monate nach Zustellung der Anhörungsrügeentscheidung und damit verfristet vorgetragen.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 20.07.2022
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)
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Dokument-Nr. 31994
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