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Staatsgerichtshof des Landes Hessen, Urteil vom 10.12.2007
- P.St. 2016 -
Hessisches Kopftuchverbot ist verfassungsgemäß
Staatliche Funktionsträger müssen Neutralität widerspiegeln
Der Hessische Staatsgerichtshof hat auf den Normenkontrollantrag der Hessischen Landesanwaltschaft hin entschieden, dass die Vorschriften des Hessischen Beamtengesetzes zum Tragen eines Kopftuches im Dienst mit der Verfassung des Landes Hessen vereinbar sind. Diese verstoßen insbesondere nicht gegen die Glaubensfreiheit, das Recht auf gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern oder das Gebot der Gleichbehandlung von Frau und Mann, sondern schützen vielmehr das Grundrecht auf negative Glaubensfreiheit sowie den Grundsatz der politischen, religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Staates.
Die Hessische Verfassung gebietet Beamten und anderen staatlichen Bediensteten, sich im Dienst politisch, weltanschaulich und religiös neutral zu verhalten. Es ist mit dem verfassungsrechtlichen Neutralitätsgebot unvereinbar, wenn Lehrer und Beamte im Dienst Kleidungsstücke, Symbole oder andere Merkmale tragen oder verwenden, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die Neutralität der Amtsführung zu beeinträchtigen oder den Schul- oder Dienstfrieden zu gefährden. Dem Verfahren lag ein Normenkontrollantrag der Landesanwaltschaft zu Grunde. Sie hielt die Vorschriften für verfassungswidrig und hatte beantragt, sie für nichtig zu erklären.
Der Antrag hatte keinen Erfolg.
Mit seinem Urteil hat der Staatsgerichtshof entschieden, dass die angefochtenen Vorschriften mit der Hessischen Verfassung vereinbar sind. Sie verstoßen insbesondere nicht gegen die
In seiner Entscheidung hat der Staatsgerichtshof klar gestellt, dass sich die angefochtenen Bestimmungen nicht speziell gegen das islamische Kopftuch richten. Vielmehr erfassen sie alle religiösen Symbole, die den Eindruck vermitteln können, dass der Amtsträger, der sie im Dienst verwendet, sein Amt nicht in der gebotenen Neutralität ausübt. Beim Verbot religiöser Symbole hat der Gesetzgeber die Grundrechte der Beamten und Lehrer, ihre Religion auch im Berufsleben frei und unbeschränkt auszuüben, mit Grundrechten Dritter, etwa der Bürger, die die Behörden in Anspruch nehmen, oder der Schülerinnen und Schüler, ihrer Eltern oder auch der Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz sowie mit sonstigen Gemeinschaftsgütern von Verfassungsrang in einen angemessenen Ausgleich gebracht. Zu den abzuwägenden Grundrechten Dritter zählt in erster Linie das Grundrecht auf negative
Dem Gesetzgeber steht nach der Entscheidung des Staatsgerichtshofs bei der Abwägung der widerstreitenden Grundrechte der Lehrkräfte und Beamten auf der einen Seite mit den genannten Grundrechten und Verfassungsgütern auf der anderen Seite ein Beurteilungsspielraum zu. Das gilt auch für die Einschätzung der möglichen Gefahren, die mit dem Verhalten verbunden sein können, das durch die angefochtenen Normen verboten wird. Dieser Beurteilungsspielraum ist auch vom Staatsgerichtshof zu beachten. Er kann nur feststellen, ob sich das Ergebnis dieser Abwägung innerhalb des verfassungsrechtlich zulässigen Beurteilungsspielraums bewegt. Das hat der Staatsgerichtshof hier bejaht.
Die Hessische Verfassung gebietet Beamten und anderen staatlichen Bediensteten, sich im Dienst politisch, weltanschaulich und religiös neutral zu verhalten. Dieses verfassungsrechtliche Gebot hat der Gesetzgeber verfassungskonform ausgestaltet und konkretisiert und dabei die einschlägige bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung berücksichtigt. Mit dem verfassungsrechtlichen Neutralitätsgebot der staatlichen Bediensteten ist unvereinbar, wenn im Dienst Kleidungsstücke, Symbole oder andere Merkmale getragen oder verwendet werden, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die Neutralität der Amtsführung zu beeinträchtigen oder den Schul- oder Dienstfrieden zu gefährden. Deshalb war der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht gezwungen, auf die individuellen Motive der einzelnen Bediensteten abzustellen. Der Staatsgerichtshof hatte nicht über eine Beamtin oder Lehrkraft zu entscheiden, die im Dienst ein Kopftuch tragen wollte. Ihm war nur das Gesetz selbst zur Prüfung vorgelegt. Anlass der gesetzlichen Regelung war zwar die rechtliche Problematik des Tragens islamischer Kopftücher im Dienst. Der Gesetzgeber hat bei der Formulierung des gesetzlichen Verbotes nicht auf das Kopftuch oder ein anderes genau bezeichnetes Kleidungsstück, Symbol oder Merkmale abgestellt, sondern eine allgemeine Regelung getroffen. Es ist nicht die Aufgabe des Staatsgerichtshofs, im abstrakten Normenkontrollverfahren jedes erdenkliche Kleidungsstück, Merkmal oder Symbol zu überprüfen, das unter das Gesetz fallen könnte. Deshalb war es nicht Aufgabe des Staatsgerichtshofs, ohne konkreten Anlass im Einzelnen zu bestimmen, welche Kleidungsstücke, Symbole oder Merkmale – wie z.B. das islamische Kopftuch, die Bhagwan-Kleidung, auffälliger christlicher Schmuck oder die Nonnentracht – nach den gesetzlichen Vorschriften verboten sein sollten. Nach dem in der Verfassung verankerten Grundsatz der Gewaltenteilung ist die Auslegung des Gesetzes in erster Linie Aufgabe der Verwaltung, deren Entscheidung die Fachgerichte überprüfen.
Die angegriffenen Normen enthalten auch keine verfassungsrechtlich unzulässige Privilegierung des Christentums. Die christlich und humanistisch geprägte Tradition des Landes
Fünf Mitglieder des Staatsgerichtshofs vertreten abweichende Meinungen. Die Mitglieder des Staatsgerichtshofs Georg D. Falk, Paul Leo Giani, Dr. Harald Klein, Prof. Dr. Klaus Lange und Rupert von Plottnitz treten übereinstimmend der von der Mehrheit des Staatsgerichtshofs vertretenen Auffassung entgegen, es bedürfe keiner Entscheidung, ob die zur Überprüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit vorgelegten Normen das Tragen eines Kopftuchs islamischer Provenienz verbieten und mit diesem Inhalt mit der Hessischen Verfassung vereinbar seien. Damit ignoriere das Urteil die vom Landesgesetzgeber unmissverständlich zum Ausdruck gebrachte Regelungsabsicht, mit welcher dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. September 2003 habe Rechnung getragen werden sollen. Danach ist ein Kopftuchverbot nur auf der Grundlage einer eindeutigen landesgesetzlichen Grundlage mit dem Grundgesetz vereinbar. Wenn den vorgelegten Normen ein Kopftuchverbot nicht eindeutig zu entnehmen sei, könne das Tragen eines islamischen Kopftuchs in den von den vorgelegten Normen erfassten Bereichen in
Das Mitglied des Staatsgerichtshofs Prof. Dr. Lange hält darüber hinaus die Auslegung des § 86 Abs. 3 Satz 2 des Hessischen Schulgesetzes in dem vom Gesetzgeber gewollten Sinne eines Kopftuchverbots für unvereinbar mit der Hessischen Verfassung. Sie widerspreche nicht nur der
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 17.12.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des Staatsgerichtshof Hessen vom 10.12.2007
- Bayerischer Verfassungsgerichtshof bestätigt Kopftuchverbot für Lehrerinnen in Bayern
(Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 15.01.2007
[Aktenzeichen: Vf. 11-VII-05]) - Kopftuch für Lehrerinnen in Baden-Württemberg nicht erlaubt
(Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24.06.2004
[Aktenzeichen: 2 C 45.03]) - Kopftuchverbot für Lehrerinnen aus NRW bleibt bestehen
(Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 02.06.2007
[Aktenzeichen: 2 K 6225/06 ]) - Nordrhein-Westfalen: Lehrerinnen dürfen in der Schule kein Kopftuch tragen - Auch "Grace-Kelly-Variante" verboten
(Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 14.08.2007
[Aktenzeichen: 2 K 1752/07])
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Dokument-Nr. 5287
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